Sterben in Schönheit - Die Volksoper Wien landet mit Benjamin Brittens letzter Oper einen beispiellosen Triumph Ganz ohne Fragezeichen bleibt die Leistung des Dirigenten Gerrit Prießnitz am Pult des makellos agierenden Orchesters. Prießnitz sorgt für rhythmisch exaktes Zusammenspiel und hält die Musik in Bewegung. Einzelne Instrumente, etwa Tuba und Fagotte, lässt er bisweilen stärker hervortreten, als man es in diesem Werk kennt, wodurch der ohnedies seltsame Klang, dessen vollendete Schönheit eine stete dissonante Brechung erfährt, eine aufwühlend dunkle Färbung erhält, die glänzend zu den beunruhigenden Vorgängen auf der Bühne korreliert. Prießnitz konturiert aber nicht nur klar und schafft instrumentale Seismogramme der Stimmungen, er ist endlich auch einmal ein Dirigent, der das zwar nur mittelgroße, aber durch Schlagzeug und raffinierte Blechbläsersätze enorm klangstarke Orchester zu atemberaubenden Höhepunkten exzessiver Dynamik treibt. Und dann lässt er das Nachspiel mit aller fragilen Schönheit mahler'scher Liebe-und-Tod-Fragilität in den Streichern strömen, wie man es so schön, so zärtlich und berührend, so trunken von Zuneigung und Zärtlichkeit, kaum je vernommen hat. Ein Abend, an dem alles bis in die Details gepasst hat - ein großer Abend, ein Abend, an dem die Volksoper auf Weltniveau spielt. Auch die Ovationen für diese restlos geglückte Produktion, die letzte Opernproduktion seiner Amtszeit, müssen den scheidenden Direktor Robert Meyer glücklich stimmen: Solch eine Vorstellung ist selbst im opernverwöhnten Wien absolut außerordentlich.
Gerrit Prießnitz erarbeitete Brittens subtile Partitur mit dem Volksopernorchester sehr überzeugend. Raffinierte Farbenspiele gelingen da ebenso wie die großen Bögen oder die explosiven dramatischen Momente. Die Besetzung ist bis in die kleinen Partien stimmig.
höhensicher und wandlungsfähig: Oksana Vakula als KA
Wien – Die räumliche Verbreiterung des "Handlungsspielraums" großer Wiener Opernhäuser gehört nicht unbedingt zu den dringenden Angelegenheiten. Wenn allerdings durch Zusatzaktivitäten der Großen einige Defizite im Bereich des modernen Repertoires (es schafft die freie Opernszene natürlich hierbei kontinuierlich Abhilfe) weiter gemildert werden, ist das Verlassen der eigenen vier Wände zu begrüßen.
Der Boden ist mit Teppichen ausgelegt, die Sängerinnen und Sänger tragen helle, erdfarbene Leinengewänder. Manche unterhalten sich miteinander, andere sitzen auf dem Boden und lesen, während sich der Saal füllt. "Was vergeht, ist immer nur die Zeit, nie die Liebe", sagt Nikolaus Hagg und beginnt, begleitet von den Klängen der Oud, das Märchen des persischen Dichters Nizami Leyla und Medjnun zu erzählen.
Mit Benjamin Brittens Death in Venice kommt London nach Wien, und die Reise von Sir David McVicars Produktion für das Royal Opera House in Covent Garden an den heimischen Gürtel hat sich gelohnt. Mit der letzten von ihm verantworteten Premiere hat der scheidende Volksoperndirektor Robert Meyer einen Coup gelandet: Musik, Gesang und Tanz verschmelzen in McVicars Inszenierung zu einem Gesamtkunstwerk, das man gesehen haben sollte.